Anfang des 20. Jahrhunderts lernten Frauen und Mädchen in Nordhalben im Frankenwald klöppeln, um die Haushaltskassen ihrer Familien aufzubessern. Dabei handelt es sich um eine Technik der Spitzenherstellung mithilfe von Holzspulen, die sich in der Fachsprache Klöppel nennen. Der Frankenwald war damals eine arme Region mit wenig Arbeitsmöglichkeiten. Der damalige Pfarrer initiierte 1903 eine Klöppelschule in der kleinen Gemeinde im heutigen Landkreis Kronach direkt an der thüringisch-bayerischen Grenze, um den Frauen vor Ort eine Einkommensquelle zu verschaffen. Es wurde extra eine Lehrerin aus dem Erzgebirge, der Hochburg des Klöppelns in Deutschland, eingestellt. In Heimarbeit produzierten Frauen, Mädchen und teilweise auch Jungs und Männer geklöppelte Spitze für einen Textilfabrikanten in Plauen. Die Klöppelschule gibt es noch heute, ein Museum erläutert die Geschichte des Kunsthandwerks.
Für die einen war geklöppelte Spitze der pure Luxus, für die anderen war es knallharte Arbeit. „Nie hätten sich diese Klöppelfrauen auch nur ein kleines Teil dieser kostbaren Exemplare leisten können“, erläutert Elisabeth Gareis, die in den 60er Jahren als Kind das Klöppeln in Lehesten erlernte und im Moment die Museumsleiterin ehrenamtlich vertritt. „Nicht einmal das Material konnten sie sich leisten.“ Sie erzählt, dass die Textilfabrik alles streng kontrolliert, gezählt und abgewogen habe, damit kein bisschen Garn oder eine der gedrechselten Klöppel in Nordhalben blieben.
Das Museum mit internationaler Spitzensammlung eröffnete 1986 in der Klöppelschule und zeigt heute über 400 Exponate aus aller Welt vom Brautkleid über Spitzenwäsche, Tischdecken, geklöppelte Meterware bis hin zu aufwändig gestalteten Kragen. Gabriele Taubald-Porzelt, Vorsitzende des Fördervereins, betont, dass es sich beim Klöppeln nicht um eine Handarbeit, sondern um ein Kunsthandwerk handelt. Das Museum erhielt nach der Eröffnung eine Auszeichnung im Wettbewerb „Europa-Preis für das Museum des Jahres“. Die Jury lobte, wie die sozialen Aspekte des Klöppelns aufgegriffen werden. Das Spitzenmuseum entwickelt sich durch Ankäufe ständig weiter, erläutert Gareis. In Sonderausstellungen werden immer neue Themen rund um das Kunsthandwerk aufgegriffen.
Die Klöppelschule hat überlebt und ihre Arbeit nur während der Kriegsjahre unterbrochen. Bis Anfang der 60er Jahre gab es Frauen in Nordhalben, die im Auftrag der Textilindustrie klöppelten. Seitdem ist es ein reines Freizeitvergnügen. Über mangelndes Interesse können sich die beiden Frauen nicht beschweren. „Wir haben Zulauf“, berichten sie. In Nordhalben lernen selbst Kinder das Kunsthandwerk. „Wir haben zwei Gruppen mit jeweils zehn Mädchen und vereinzelt auch Jungs, die wöchentlich zu uns kommen“, erklärt Gareis. In einem Regal liegen feinsäuberlich aufgereiht die Klöppelkissen der Kinder mit ihren Arbeiten. An einer Stellwand werden Kinderarbeiten gezeigt: Bunte Fische, Tannenbäume, Ostereier, Drachen, Blumen etc. Alles ist anscheinend möglich. „Ja, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt“, so eine der beiden Frauen, die während der Öffnungszeiten des Museums ihre Klöppelarbeiten fortsetzen. Die Vorlagen lassen sich selbst erstellen oder auch kaufen. Wurde früher fast ausschließlich mit weißem Garn geklöppelt, so überwiegen heute bunte Farben. Für die Kinder ist Klöppeln eine Nachmittagsaktivität wie Sport, Musik oder Feuerwehr. Allerdings bleiben sie meist nur bis zum Ende der Grundschulzeit. „Aber spätestens wenn sie in Rente gehen, werden sie wieder aktiv“, schildert die Fördervereinsvorsitzende die Erfahrungen in Nordhalben.
Die Klöppelschule und das Museum sind eine Einrichtung der Gemeinde Nordhalben. 1996 wurde der Klöppelschulförderverein Nordhalben gegründet mit dem Ziel, das Museum und die Klöppelschule finanziell zu unterstützen. „Der Förderverein kaufte in den letzten 22 Jahren Material und Spitzen für das Museum im Wert von 145000 Euro“, freut sich die Vorsitzende. Mit Stolz erzählt sie, dass sich der Verein und die Klöppelschule auch an vielen Aktionen für das Gemeinwohl beteilige. „Wir wollen unseren Ort bunter machen und gestalten dafür Gartenobjekte.“ Taubald-Porzelt, die erst vor vier Jahren das Klöppeln erlernte, zeigt als Beispiel eine Blume aus Metall, in die bunte Klöppelspitze aus wetterbeständigem Synthetikgarn gearbeitet ist. „Wir sind gute Kunden in Baumärkten“, erläutert sie. Ich lasse mich von deren Angebot inspirieren.“ Sie zeigt eine Art Rankgitter in Ballonform. Auch diese sollen mit bunter Spitze zu Kunstwerken werden. „Wir wollen daran erinnern, dass der Film „Ballon“ über die Flucht aus der DDR mit einem Heißluftballon teilweise in Nordhalben gedreht wurde.
Die Klöppelschule bietet für Anfänger und Fortgeschrittene Kurse an. Es gibt regelmäßige Treffen und Schnupperkurse, aber auch Wochenendkurse, zu denen Teilnehmer aus ganz Deutschland nach Nordhalben kommen. Termine und nähere Infos unter www.kloeppelschule.de