Prof. Dr. Kai Frobel vom BUND Bayern pflegt seit
20 Jahren enge Kontakte zu Naturschützern in Korea. "Wenn es zu einer Wiedervereinigung käme,
wäre Korea für den Schutz des Grenzgebietes bestens vorbereitet", so der Naturschützer im Interview.
Foto: Thomas Rebhan
Korea ist ein geteiltes Land, so wie es Deutschland bis 1989 war. Prof. Dr. Kai Frobel, Artenschutzreferent beim BUND Bayern, wird als „Vater des Grünen Bandes“ bezeichnet. Er wuchs in unmittelbarer Nähe der deutsch-deutschen Grenze bei Coburg auf. Bereits in den 70er Jahren, lange vor Öffnung der Grenze, beobachte er als junger ehrenamtlicher Naturschützer mit dem Fernglas Vögel im Grenzgebiet und wusste somit um die Bedeutung dieses Grenzstreifens für den Naturschutz. Im Dezember 1989, kurz nach dem Fall der Mauer, luden Prof. Dr. Hubert Weiger und Frobel Natur- und Umweltschützer zum ersten gesamtdeutschen Treffen nach Hof ein. Gerade 26 Postadressen gab es bereits durch Besuche vor der Wende. Es kamen 400 Menschen aus Ost und West. Bereits hier wurde der Begriff „Grünes Band“ geprägt und die Vision formuliert: „Der Grenzstreifen zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik ist als Grünes Band und als ökologisches Rückgrat Mitteleuropas vorrangig zu sichern.“ Frobel engagierte sich nicht nur für das Grüne Band Deutschland und Europa, sondern auch für die Grenzregion zwischen Nord- und Südkorea. Seit bald 20 Jahren pflegt er enge Kontakte zu Naturschützern in Korea. Hier ein Interview zu seinem Engagement in Korea.
Gibt es eine Naturschutzbewegung in Korea?
Es gibt eine hochaktive und gut organisierte Naturschutzbewegung in Südkorea, die auch in viele Aktivitäten in der Grenzregion involviert ist.
Wie muss man sich das vorstellen?
Was wir in Deutschland heute als Grünes Band bezeichnen, ist in Korea die Demilitarisierte Zone (DMZ). Dieser Grenzstreifen zwischen Nord- und Südkorea ist etwa 250 Kilometer lang und etwa vier Kilometer breit – je zur Hälfte in Nord- und in Südkorea. Damit ist das „Grüne Band Korea“ zwar viel kürzer als in Deutschland, dafür aber viel breiter und somit flächenmäßig größer. Südlich der DMZ liegt die sogenannte Civilian Control Zone (CCZ), ein etwa 30 Kilometer breiter Streifen, der mit unserem früheren Zonenrandgebiet auf der Westseite vergleichbar ist. Dort gibt es Landwirtschaft und kleine Dörfer, es ist eine artenreiches Gebiet.
Welche Bedeutung hat dieses Gebiet für den Naturschutz?
Der Artenreichtum ist erschlagend. Über 6.500 Tier- und Pflanzenarten sind derzeit nachgewiesen, davon Hunderte von gefährdeten Arten. Die Bedeutung dieser Fläche für den Naturschutz ist in Korea sehr bekannt. Selbst in Museen zur DMZ oder Briefmarkenserien wird dies thematisiert. Es gibt viel mehr wissenschaftliche Untersuchungen von Universitäten zur Artenvielfalt als bei uns. Deshalb ist die Datenlage hervorragend.
Kann man das Gebiet denn betreten?
Den nördlichen Teil der DMZ kann man natürlich gar nicht betreten. Aber auch die eigentliche Kernzone auf Südseite kann aufgrund von Minen und Sperrzäunen nur bruchstückhaft betreten und untersucht werden.
Sind die beiden Grenzen vergleichbar?
Die Grenzzäune und Bunker befinden sich in Korea auf beiden Seiten, also im Süden und im Norden. Es sind dort in Grenznähe auch schwere militärische Waffen zu sehen. Ein möglicher militärischer Konflikt ist dort präsenter und sichtbarer als damals an der innerdeutschen Grenze. Auch vom Süden aus ist das Gebiet nur mit Genehmigung und nur an wenigen ausgewählten Beobachtungszentren einzusehen.
Haben Sie Kontakte auch zu Nordkorea?
Sowohl von südkoreanischer Seite als auch von deutscher Seite gibt es zum Thema Naturschutz in der DMZ leider noch keine Kontakte mit Nordkorea. Wir arbeiten aber daran!
Wie können Sie von Deutschland aus die Vorbereitungen auf den Tag X, also eine Grenzöffnung in Korea unterstützen?
Wir können alle unsere Erfahrungen von Deutschland weitergeben. So hat Korea bereits auf unsere Empfehlung hin angefangen, die Besitzverhältnisse im Vorfeld zu klären, damit man weiß, wem das Land gehörte, bevor es zur DMZ wurde. Eine Stiftung, der National Trust in Korea, hat bereits begonnen, Flächen in angrenzenden Gebieten, die für den Naturschutz von Bedeutung sind, aufzukaufen.
Wir versuchen jetzt schon zu sensibilisieren, nicht den denselben Fehler wie in Deutschland Anfang der 1990er zu machen und alle baulichen Anlagen, die an die Grenze erinnerten, wegzureißen. Wir geben die eindeutige Empfehlung, im Sinne einer Erinnerungslandschaft so viel wie möglich stehen zu lassen. Zäune oder andere Anlagen werden natürlich nach Jahrzehnten korrodieren oder von der Natur überwachsen und man wird nicht alles erhalten können, aber dann kann man in Ruhe nachdenken und entscheiden, was bleiben soll.
Profitiert auch Deutschland von der Zusammenarbeit mit Korea?
Durch die Zusammenarbeit und die wechselseitige Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit Korea ist das Grüne Band Deutschland und Europa noch bekannter geworden. Der weltweite Zusammenschluss von Umweltorganisationen in „Friends of the Earth“, in der sowohl wir als BUND als auch unsere Partnerorganisation Korea Federation for Environmental Movement, „Friends of the Earth Korea“ vertreten sind, gibt uns internationalen Rückhalt für unsere Arbeit und für unsere Ziele.
Außerdem ist Südkorea beispielhaft für umfassende wissenschaftliche Untersuchungen: dort wird alles von Pflanzen über Tiere bis hin zu archäologischen Denkmälern entlang der DMZ erfasst. Die Datenlage ist sehr gut.
Welche Erinnerungen werden bei Ihnen wach, wenn Sie die Grenze in Korea besuchen?
Das berührt mich persönlich sehr. Ich fühle mich immer an die Situation in Deutschland erinnert. Die Situation, ständig kontrolliert zu werden, wenn man in dieses Gebiet reist, weckt starke Erinnerungen. Wer heute noch „Kalten Krieg“ erleben will, muss nur in die DMZ fahren.
Inwieweit ist Südkorea auf eine mögliche Wiedervereinigung vorbereitet?
Es gibt Pläne auch von politischer Ebene, die DMZ auf jeden Fall als Erinnerungslandschaft und als Naturschutzgebiet zu erhalten. Klar ist noch nicht, in welcher Form das geschehen soll, ob als Nationalpark oder als Nationales Monument. Die Wiedervereinigung ist im Moment politisch nicht absehbar, aber wenn es zu einer Wiedervereinigung käme, wäre Korea für den Schutz des Grenzgebietes bestens vorbereitet.
Vielen Dank Herr Dr. Frobel.
Das Interview führte Beatrix Flatt.