Ein Dorf wird zur Traktorstadt

100 Einwohner und immer ist etwas los in Poppenhausen. „Man muss selbst anpacken und das Dorfleben gestalten“, bringt es Marcel Göcking auf den Punkt. Und das scheint in dem kleinen Ort, der heute zur Stadt Heldburg im Landkreis Hildburghausen gehört, zu funktionieren.

 

Am Wochenende findet das 18. Traktortreffen statt. „Wir erwarten 1000 bis 1500 Besucher“, so Gerlinde Sohl. Aus dem Umkreis von bis zu 150 Kilometer kommen Traktorfreunde mit ihren Fahrzeugen nach Poppenhausen. Die meisten übernachten auf den Wiesen rund um das Dorf. Viele haben Anhänger dabei, die zu kleinen Wohnwagen umgebaut sind, manche kommen mit Zelt. „Wir haben dann eine kleine Traktorstadt“, erklärt der 84-jährige Bruno Götz. Am Sonntag gibt es ein Unterhaltungsprogramm, so dass viele Menschen aus der Region zum Schauen kommen. Wie kommt so ein Dorf auf die Idee, so etwas ins Leben zu rufen? „Nach der Wende kauften sich viele Bauern und Nebenerwerbslandwirte gebrauchte Trecker, um ihr kleines Stück Land zu bewirtschaften. Und plötzlich hatten wir 20 teilweise historische Trecker im Dorf“, erzählt Bruno Götz. Und so kam die Idee mit dem Traktortreffen.

 

Die Einwohnerzahl ist seit der Wende relativ konstant. „Viele, die zum Studium oder zur Ausbildung weggehen, kommen wieder zurück“, so Marcel Göcking. Als Beispiel nennt er den Bürgermeister Robert Wolf, der in Leipzig studiert und in verschiedenen Städten Deutschlands gearbeitet hat und vor ein paar Jahren zurückkam. „Arbeitsplätze gibt es in der Region genügend, da wir im Speckgürtel von Oberfranken liegen“, so Göcking. Robert Wolf hat sofort Verantwortung übernommen, hat eine Ortschronik verfasst und ist jetzt Bürgermeister. „Und er macht es gut.“ Damit die Kommunikation im Dorf noch leichter wird, hat er die WhatsApp-Gruppe „PoHa People“ gegründet.

 

Der kleine Ort lag zwar 40 Jahre im Sperrbezirk, ist aber trotzdem offen. Ein Franzose aus Paris suchte mit seiner deutschen Frau einen Ort in der Region zum Leben. Er landete in Poppenhausen. Er ist voll in die Dorfgemeinschaft integriert, sind sich die drei einig. Einem jungen Mann aus dem Sudan gewährte man erst Kirchenasyl, eine Familie aus dem Ort nahm ihn dann bei sich auf. Er pflegt immer noch den Kontakt zum Ort, ist aber wegen der Arbeit weggezogen.

 

Poppenhausen hat eine Gaststätte, aber keinen Wirt. Kein Problem, auch das haben die Poppenhäuser selbst geregelt: Jedes Vereinsmitglied ist viermal pro Jahr Wirt. Es gibt einen festen Dienstplan, an welchen Wochenenden, wer Dienst macht. Der Feuerwehrverein, der alles Organisatorische im Ort bündelt, kauft die Getränke. Zehn Prozent des Umsatzes kann der „Wirt auf Zeit“ behalten, der Rest geht in die Vereinskasse. „Wenn unser Franzose Dienst hat, verbindet er das oft mit einem französischen Käseabend  und die Gaststätte ist voll“, so Gerlinde Sohl.

 

Wichtig für unsere Dorfgemeinschaft ist, dass wir nicht mehrere Vereine haben. „Es gibt verschiedene Interessengruppen, aber alles läuft über die Feuerwehr“, so Göcking. Auch das Traktortreffen. Es wird für diesen Anlass im eigenen Brauhaus Bier gebraut und im Dorfbackhaus Kuchen gebacken. Beides wird an den Festen verkauft. „Die Gewinne werden wieder im Dorf investiert.“ Gerlinde Sohl zählt auf: Pfarrhaus mit Heimatstube, Kirche, Brauhaus, Backhaus Spielgeräte für den Dorfplatz, das Vereinshaus etc. Sogar eine Photovoltaikanlage konnte das Dorf auf ihrem Vereinsheim, das zu DDR-Zeiten die Kaserne der Grenztruppen war, installieren.

 

Es gäb noch viel zu erzählen: Zum Treffen der Poppenhäuser kommen regelmäßig Menschen aus den anderen drei Ortschaften mit gleichem Namen. Wallfahrer, die auf ihrem Weg von Bad Königshofen nach Vierzehnheiligen durch Poppenhausen gehen, werden empfangen. Regelmäßig wird Bier für den Eigenbedarf im Brauhaus gebraut. „Das Braurecht gibt es seit 1725“, weiß Sohl. „Und das Wissen rund um das Brauen wird von Generation zu Generation weitergegeben“, ergänzt Göcking. „Aber jetzt haben wir einen Braumeister, der das Brauen im Ort in die Hand nimmt.“ „Und wenn gebraut wird, ist das immer ein kleines Fest für alle“, so Sohl.

 

Poppenhausen würde sich noch über etwas Zuzug freuen. „Drei Häuser stehen leer“, so Göcking. Klingt nach nicht viel, aber bei etwa 30 Häusern im Ort ist das allerdings ein Leerstand von zehn Prozent. Die drei sind optimistisch, dass wieder mal jemand Neues nach Poppenhausen zieht. Interessenten gibt es anscheinend.