18 junge Erwachsene aus ganz Deutschland und aus den Niederlanden verbrachten fünf Tage im Kloster auf dem Hülfensberg. Der Hülfensberg ist seit dem Mittelalter ein bekannter Wallfahrtsort. Auf dem knapp 500 Meter hohen Berg südlich von Geismar im Eichsfeld befindet sich ein Franziskanerkloster. Während der SED-Diktatur lag das Kloster im streng bewachten Sperrgebiet. Nur wenige Pilger durften den Berg von 1952 bis 1989 besuchen.
Taizégebete gibt es regelmäßig in dem Kloster. Aber gerade gehen die ersten Taizétage auf dem Hülfensberg zu Ende. Fröhliches Gelächter dringt aus dem Esssaal. Danach stellen sich die jungen Erwachsenen im Alter von 16 bis 35 zu einem Gruppenfoto auf. Danach viele Umarmungen zur Verabschiedung, bevor die meisten abreisen. Christina Göbel, 28 Jahre, wartet auf ihre Mitfahrgelegenheit und hat deshalb noch etwas Zeit.
Christina ist in Heiligenstadt, Kreisstadt des Landkreises Eichsfeld, in Thüringen aufgewachsen. „Ich kenne den Hülfensberg schon aus meiner Kindheit von Pilgerwanderungen.“ Jetzt lebt die junge Lehrerin in Dresden, engagiert sich in der Studentengemeinde und hat für sich die ökumenische Taizé-Bewegung entdeckt. Die Gemeinschaft von Taizé ist ein internationaler Männerorden in Frankreich, der vor allem durch seine internationalen Jugendtreffen und durch seine Gesänge bekannt wurde.
„Ich mag die Taizé-Gebete und war deshalb schon zu vielen Taizé-Treffen in verschiedenen Ländern“, erklärt Christine. „Aber es ist aufwändig, immer so weit zu reisen. Deshalb habe ich mich über das Angebot in Thüringen gefreut. Außerdem mag ich den Hülfensberg.“ Das Feedback der Jugendlichen am Ende der Taizétage war positiv. „Es war eine gute Idee von Bruder Johannes, das ins Leben zu rufen.“
Die Tage auf dem Hülfensberg waren durch die typischen Taizégebete – morgens, mittags und abends – strukturiert. Christina erklärt, dass die Gebete gesungen werden. „Es sind einfache Sätze, die immer wiederholt werden. 20 bis 30 Mal. Das hat dann eine meditative Wirkung." Einige Teilnehmer sind mit ihren Musikinstrumenten angereist, um die Gesänge zu begleiten.
Der Tagesablauf war streng geregelt: Nach dem Morgengebet folgen Frühstück, Bibelarbeit mit Gesprächen in Kleingruppen, Arbeit im Kloster, Mittagsgebet, Mittagessen, Nachmittagsaktivitäten, Abendessen, Gebet, Abendaktivitäten.
Jetzt nach fünf Tagen fühlt sich Christina ruhig und entschleunigt. „Erfahrungsgemäß hält dieser Zustand etwa ein bis zwei Wochen im Alltag“, gibt sie schmunzelnd zu. Aber inhaltlich nehme sie aus den Gesprächsrunden, die unter den Schlagwörtern Barmherzigkeit, Leben in Einfachheit und Freude standen, viel mit. „Wir haben zum Beispiel reflektiert, wie wir auf andere Menschen zugehen und wie wir uns anderen Menschen gegenüber verhalten.“ Beim Thema „Leben in Einfachheit“ ging es laut Christina um Fragen wie „Was brauche ich wirklich zum Leben?, „Lebe ich über meine Verhältnisse oder erhalte ich die Erde, so wie Gott sie erschaffen hat?“
Christina kennt die innerdeutsche Grenze nur aus Erzählungen. „Für mich gibt es keine Grenze mehr. Ich bin mit Hessen zusammen in die Schule gegangen und wir sind zusammen nach Göttingen ins Kino gegangen“, beschreibt sie ihre Jugend im Eichsfeld. Jetzt lebt und arbeitet sie in Dresden und setzt sich mit Fragen der Einheit auseinander. "Hier sind Themen wie Tarif Ost und West immer noch ein Thema", gibt sie zu bedenken.
Als Mitglied der Studentengemeinde in Dresden hat sie sich auch mit der politischen Situation und der Pegida-Bewegung beschäftigt. „Wir haben versucht, einen Bürgerdialog zu gründen, damit Menschen unterschiedlicher politischer Auffassungen ins Gespräch kommen. Es war nicht möglich“, gibt sie zu. „Deshalb habe ich für mich persönlich entschieden, lieber Flüchtlinge in ihrem Alltag zu unterstützen als meine Energie in Dialoge zu stecken, die nicht funktionieren.“ Sie erzählt auch, dass sie nicht mehr zu Gegendemonstrationen der Pegida-Bewegung gehe, da sie die Parolen so aggressiv gemacht hätten, dass sie über sich selbst erschrocken sei.
Kraft findet sie in den Taizégebeten und in der Gemeinschaft. „Die Gebete sind immer mehrsprachig. Bei den Treffen kommen Jugendliche aus aller Welt“, erklärt Christina. Vielleicht sind diese Gebete auch ein Weg zum Frieden. Christina wünscht es sich.