Der Harz ist reich an Wasser. Aus Quellen und Bächen rund um den Brocken fließt sauberes Wasser in die Ecker und mit ihr in die Eckertalsperre. Eine gigantische Staumauer mit einer Länge von 235 Metern und einer Höhe von 65 Metern hält das Wasser im Eckerstausee. Wanderer, die über die Staumauer gehen, kommen an einer DDR-Grenzsäule vorbei – eine Erinnerung, dass die innerdeutsche Grenze mitten durch den Stausee ging und auch die 2,2 Meter breite Mauerkrone teilte. Während der westliche Teil der Mauer zugänglich war, war der östliche Teil der Mauer mit einer Grenzmauer versperrt.
Gebaut wurde diese Talsperre zwischen 1939 und 1943, um den steigenden Trinkwasserbedarf der Stadt Braunschweig zu decken und die Versorgung des Volkswagenwerkes, das sich im Aufbau befand, zu sichern. Auch wenn die Talsperre zur Hälfte auf dem damaligen Gebiet der DDR lag, wurde das Wasser nur von der BRD genutzt. Allerdings zahlte sie dafür Geld.
Heute werden etwa 300 000 Menschen mit weichem Harz-Wasser aus der Eckertalsperre versorgt, erklärt Harald Juch, der insgesamt 27 Jahre hier arbeitete, in den letzten Jahren als Talsperren- und Wasserwerksmeister. Über etwa 78 Kilometer Stahlrohrleitungen geht das Wasser nach Goslar, Wolfenbüttel, Braunschweig und Wolfsburg. Das funktioniert durch das Gefälle auf die Distanz gänzlich ohne Pumpen. Betrieben werden die Talsperre und das Wasserwerk von den Harzwasserwerken mit Sitz in Hildesheim. Das Unternehmen ist der größte Trinkwasserversorger in Niedersachsen. Bis 1996 war der Betrieb im Eigentum des Landes Niedersachsen. Zu den Gesellschaftern der GmbH gehören heute Kommunen und private Unternehmen.
Auch wenn die Qualität des Harzwassers gut ist, geht es nicht ohne Aufbereitung, denn es muss den strengen Auflagen der Trinkwasserverordnung genügen. In den 90er Jahren wurde ein neues Gebäude für die Wasseraufbereitung unterhalb der Staumauer in dem schmalen Eckertal errichtet. Mitten in der Natur des Harzes wird mit hochmoderner Technik das Wasser in einem zweistufigem Verfahren zu Trinkwasser. Die Aufbereitung findet in hellen, freundlichen und blitzsauberen Räumen statt. Elf Mitarbeiter kümmern sich um die Anlage. „Tag und Nacht sind mindestens zwei Personen vor Ort“, so der ehemalige Talsperren- und Wasserwerksmeister.
Zu allererst wird der Druck, mit dem das Wasser aus der Talsperre kommt, genutzt, um mit Hilfe von zwei Turbinen Energie zu erzeugen. Der Strom wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist, kann aber bei Stromausfall auch für das Wasserwerk genutzt werden. „Ein Notstromaggregat braucht man hier deshalb nicht“, erklärt der 66-jährige Rentner.
Das Wasser aus den Hochlagen des Harzes hat aufgrund organischer Substanzen aus den Hochmooren eine bräunliche Färbung. „Nichts Schlimmes, aber im Trinkwasser nicht erwünscht“, erläutert Juch in der großen Filterhalle. Die Becken sind alle gefüllt, der Raum ist durch die Wassermengen ziemlich kalt. Dem Talsperrenwasser werden Flockungsmitteln, Kohlendioxid und Kalkwasser zugegeben, so dass kleine Partikel, Trübstoffe und organische Inhaltsstoffe eingeschlossen werden. Diese setzen sich ab und werden direkt in die Kanalisation in Bad Harzburg geleitet. Das aufbereitete Trinkwasser wird desinfiziert und in Behältern gespeichert, bevor es über Leitungen zu den Haushalten und Großabnehmern geliefert wird. „Am Tag produziert das Wasserwerk zirka 37000 Kubikmeter oder 37 Millionen Liter Trinkwasser.“
Der Wasserpegel schwankt in der Regel sehr stark. „Die Talsperre hilft, regenarme- und regenreiche Monate auszugleichen und das Harzvorland vor Hochwasser zu schützen“, erklärt Juch. Der Stausee nimmt bei Starkregen und bei Schneeschmelze die großen Wassermengen auf. Überschwemmungen können so vermieden werden. Zu den Aufgaben der Talsperre gehört es aber auch, dafür zu sorgen, dass immer genügend Wasser in der Ecker und den anschließenden Bächen fließt, damit diese nicht austrocknen. „Wir haben das immer sehr großzügig gehandhabt“, erinnert sich Juch. Es kommt schon einmal vor, dass sich Menschen melden, dass ein Bach zu wenig Wasser führt. Manchmal kann es auch daran gelegen haben, dass Menschen Wasser entnehmen, um ihren Garten zu wässern. “Wir haben dann einfach den Hahn ein bisschen mehr aufgedreht.“
Juch erinnert an das extreme Hochwasser von 2017. Dank des Talsperrenmanagements konnten größere Überschwemmungen im Gebiet der Ecker vermieden werden. „Im Trockenjahr 2018 mit extrem wenig Niederschlag hatten wir zu jeder Zeit genug Trinkwasser, da die Speicher vom Vorjahr noch gut gefüllt waren“, so der ehemalige Wasserwerksmeister. Auch im Moment ist Wasserknappheit für den Trinkwasserversorger kein Problem, da durch ein Verbundsystem zwischen mehreren Wasserwerken, jederzeit für Ausgleich gesorgt werden kann.
Allerdings ist der Klimawandel laut Pressesprecher Norman Droste für die Harzwasserwerke ein hochaktuelles Thema. „Die dichte Abfolge von Extremwettersituationen zeigt uns, dass der Klimawandel auch im Harz und in Niedersachsen angekommen ist.“ Vor wenigen Wochen fiel der Startschuss für ein richtungsweisendes Forschungsprojekt „Energie- und Wasserspeicher Harz“. In drei Jahren soll ermittelt werden, wie sich das System der Harzwasserwerke an die Auswirkungen des Klimawandels anpassen kann. Dafür untersuchen Niedersächsische Universitäten und Hochschulen (TU Clausthal, TU Braunschweig, Hochschule Ostfalia) die Talsperren. Sie wollen herausfinden, wie diese in Zukunft angepasst und optimiert werden können, um das Trinkwasser noch besser zu schützen und den Hochwasserschutz weiter zu gewährleisten. Durch den jahrhundertelangen Bergbau existieren im Harz viele unterirdische Stollen und Schächte, die zum Beispiel mit Talsperren verbunden werden könnten, um Wasser noch besser zu verteilen und zu speichern. „Das Unternehmen ist für alle Lösungsansätze offen“, so der Pressesprecher.
Juch schätzte seinen abgelegenen Arbeitsplatz mitten im Nationalpark Harz, der nur über eine private Straße erreichbar ist. „Es war ein schönes Arbeiten in ruhiger Umgebung und herrlicher Natur.“