Veltheim am Fallstein in Sachsen-Anhalt ist ein kleiner Ort zwischen dem Höhenzug Großer Fallstein und dem Feuchtgebiet Großes Bruch. Das Dorf ist heute ein Stadtteil von Osterwieck. Ob es zu dem braunschweigischen Adelsgeschlecht von Veltheim eine Verbindung gibt, ist laut Ortschronist Rolf Maximilian nicht geklärt.
Er schließt die Tür der vor wenigen Jahren renovierten Kirche St. Johannis auf. „Wir haben in diesem Jahr 450-Jahrfeier“, erklärt er mit Blick auf die Jahreszahl 1569 über dem Portal. „Der mächtige Westturm ist älter, ein Bauwerk aus dem 12. Jahrhundert, also romanischen Ursprungs“, so der Ortschronist. „Wir hätten das Jubiläum beinah übersehen“, gibt er zu. Aber die Dorfgemeinschaft hat zu diesem Anlass sehr schnell eine Ausstellung in dem zweischiffigen Kirchenraum mit Kreuzgratgewölbe zusammengestellt. Fotos zeigen die Kirche vor und nach der Renovierung sowie Ausschnitte aus dem Gemeindeleben. Und seit 1990 hat sich in der Kirche viel getan. Nicht nur das Dach und die Außenfassade wurden renoviert, die Kirche hat seit einigen Jahren wieder drei Glocken. Zwei der ursprünglichen Glocken wurden während des zweiten Weltkrieges eingeschmolzen. „Neue hätten wir uns gar nicht leisten können“, so Maximilian. „Zum Glück konnten wir zwei Glocken aus der aufgegebenen St. Johannis-Kirche im benachbarten Dedeleben übernehmen, so dass das Geläut wieder vollständig ist.
In der Ausstellung werden verschiedene Paramente aus den vergangenen Jahrhunderten gezeigt. Stolz zeigt Maximilian Zeichnungen exakte Pläne der Kirche von einem Berliner Büro aus dem Jahr 1914. „Diese wurden angefertigt, da man überlegte, eine Heizung einzubauen.“ Das geschah nie, „aber die Pläne waren bei den Renovierungsarbeiten sehr hilfreich.“ Ein weitere Besonderheit ist eine Münzsammlung aus dem alten Spendenkasten aus dem 17. Jahrhundert. „Er war immer verschlossen und wurde schon lange nicht mehr geleert.“ Der Kasten wurde 2009 fachmännisch geöffnet, ohne ihn zu zerstören. Darin fand sich eine Sammlung von 86 historischen Münzen überwiegend aus dem 17. Jahrhundert, die Maximilian chronologisch aufgereiht hat.
Statt eines Taufbeckens gibt es in der Dorfkirche von Veltheim einen lebensgroßen Taufengel, der unter dem Gewölbe schwebt. „Bei Bedarf wird er heruntergelassen und bekommt in die linke Hand eine Taufschale.“
Allzu oft wird er in letzter Zeit nicht mehr benutzt, denn die Einwohnerzahlen sind stark rückläufig. „Wir liegen im Moment bei etwa 400 Einwohnern“, so der Ortschronist. „Die Menschen zogen schon zu DDR-Zeiten weg, da Veltheim im Sperrbezirk war.“ Nach der Grenzöffnung setzte sich der Trend fort. Maximilian sieht es realistisch: „Diesen Trend gibt es in den Dörfern in Niedersachsen in dieser Region genauso.“ Trotzdem gäbe es ein aktives Dorfleben mit mehreren Vereinen und einem „sehr aktiven Schalmeienverein“.
Und es gibt auch Menschen, die neu nach Veltheim kommen und sich bewusst für diese Region entscheiden. Ein Beispiel ist Ulrike Niggemeyer, die mit ihrem Mann seit 2002 hier lebt. „Wir suchten ein Haus mit einem großen Garten“, so die 60-Jährige. Das Ehepaar kam aus beruflichen Gründen in den 80er-Jahren aus Duisburg nach Braunschweig. In Veltheim wurden sie fündig und konnten den großen Garten mit Gemüse, Obst und Kräutern anlegen. Die gelernte Gärtnerin wollte sich selbstständig machen. So kauften sie ein zweites Haus in Veltheim. Der Plan war, die Produkte aus dem Garten zu verarbeiten und zu verkaufen. Und um die Menschen nach Veltheim in ihren Laden zu locken, eröffneten sie 2011 in dem Fachwerkhaus das „Café Brennnessel“. „Es hätte immer besser laufen können“, fasst Niggemeyer die Höhe und Tiefen der Selbstständigkeit zusammen. Berufliche und private Herausforderungen kosteten mehr Energie als geplant und fehlten im Café. „Meine Leidenschaft ist es zu backen“, erklärt sie ihren Antrieb. In ihrer kleinen Backstube experimentiert sie mit verschiedenen Mehlsorten und versucht die Ernte aus ihrem eigenen Garten zu verarbeiten. „Die Menschen kommen aus Wolfenbüttel, Braunschweig, Goslar, Wolfsburg, Wernigerode und Schöningen in das Café Brennnessel und sind begeistert“, so die gelernte Gärtnerin. Der Betrieb ist zu klein, um groß Werbung zu machen und Mitarbeiter einzustellen. „Also mache ich alles allein und stoße dabei an meine Grenzen“, schildert sie ihre Situation. „Aber die Begeisterung der Gäste für das Ambiente und die Kuchen geben mir Motivation weiter zu machen.“ Niggemeyer setzt neuerdings auf Themenabende wie Herbst-, Wild- oder Kohlküche, für die sie dann ein Büffet anbietet. „Das wird ganz gut angenommen“, so ihre erste Bilanz. Demnächst steht ein Ayurveda-Informationsabend auf dem Programm. „Vielleicht kann sich daraus auch ein Themenabend oder eine regelmäßige Veranstaltung entwickeln.“ Café Brennnessel kann für Veranstaltungen gebucht werden, bietet Ferienwohnungen an und ist anerkannte Einsatzstelle für das Freiwillige Ökologische Jahr. „Es gibt hier viel Potenzial.“
Ulrike Niggemeyer hat im Laufe der Jahre viel ausprobiert und viel experimentiert. Ihr nächstes Ziel ist es, eine Vortragsreihe zum Thema Naturschutz ins Leben zu rufen. „Das könnte dann auch das Grüne Band betreffen“, so ihre Vorstellung. Ihre Vision für die Region, in der sie sich zu Hause fühlt, beschreibt sie folgendermaßen: „Es sollte wieder mehr Natur ins Große Bruch kommen. Die Gegend liegt mir sehr am Herzen, aber Böden und Grundwasser sind belastet.“ Niggemeyer ist überzeugt, dass es Gleichgesinnte gibt. Man müsste nur Kontakt knüpfen. Café Brennnessel in Veltheim wäre vielleicht ein guter Ort.
Vielleicht kommen in Zukunft auch Gäste, die den 800 Kilometer langen historischen Telegraphenradweg (www.telegraphenradweg.de) von Berlin nach Koblenz fahren. Von 1833 bis 1849 war Veltheim eine von 62 Stationen der Preußischen optischen Telegrafenlinie. Über eine Distanz von 588 Kilometern wurden staatliche Depeschen oder militärische Nachrichten mittels optischer Signale übermittelt. Bei gutem Wetter gelangten Nachrichten in weniger als einer Stunde von Berlin über Veltheim an den Rhein.