Beide schätzen das Leben auf dem Land, die Region und ihre historischen Gebäude. Während Familie Walter die Fleitmühle bei Bahrdorf erst 2015 erwarb, lebt Familie Schwartzkopff in der 4. Generation auf Gut Büstedt vor den Toren von Oebisfelde. Sowohl das Gut als auch die ehemalige Mühle liegen im Landkreis Helmstedt direkt an der Aller, die in diesem Bereich Grenzfluss war. Beide Eigentümer wollen die Region voranbringen und beide erhielten Fördermittel über das Programm Leader-Region „Grünes Band“.
Die Leader-Region „Grünes Band“ ist eines von derzeit 321 Förderregionen in Deutschland und zieht sich über 75 Kilometer entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze auf niedersächsischer Seite und umfasst alle Kommunen im Landkreis Helmstedt, die an Sachsen-Anhalt grenzen.
Familie Walter hat die Fleitmühle mit dem Ziel gekauft, dort zu leben und ein Café zu betreiben. „Dieses haben schon die Vorbesitzer bewirtschaftet“, erzählt Marina Walter, 34 Jahre. Auch Familie Walter hat das Café eine Saison lang in der ehemaligen Scheune weitergeführt. „Es lief hervorragend. Oft kamen mehr Menschen als wir Platz hatten“, so die dreifache Mutter. Nach einem Sturmschaden musste die Familie allerdings umplanen. In der Scheune entstand eine großzügige Wohnung für die 5-köpfige Familie. Rudolf Walter, 34 Jahre, ist Fachmann für Heizung und Sanitär und hat mit Unterstützung von Verwandtschaft und Freunden das meiste in Eigenarbeit gemacht. Zusätzlich hat die junge Familie finanzielle Unterstützung von Leader bekommen. „Eines unserer Hauptziele ist es, junge Familien in der Region zu halten oder in die Region zu holen“, so Ole Bartels von der Planungsgesellschaft Amtshof Eicklingen, die für die Projektbegleitung verantwortlich ist. Nach den Zielen der Leader-Region „Grünes Band“ sollen darüber hinaus alte Gebäude weitergenutzt sowie der Tourismus am Grünen Band gefördert werden. „Das passte hier alles“, bringt es Bartels auf den Punkt.
Familie Walter hat noch weitere Pläne: Das historische Mühlengebäude, das noch als Wohngebäude dient, soll renoviert werden, sobald die junge Familie umgezogen ist. „Hier sollen wieder Räume für das Café entstehen“, blickt die junge Familie in die Zukunft. Sie hofft, auch hier wieder Mittel aus dem Leader-Programm zu bekommen.
„Unser Ziel ist es, die alte Mühle wieder mit Leben zu erwecken“, ist sich das junge Paar einig. Ganz viel ist schon passiert. So hat sich die Familie einen idyllischen Garten, quasi einen Park, der bis zur Aller reicht, angelegt. Rudolf Walter zeigt die Reste der Staumauer, die die Aller durch den heutigen Garten in das Mühlengebäude umleitete. „Schade, dass dieser Allerarm nicht mehr existiert“, bedauert Rudolf Walter „dann könnte ich das Wasser zur Energiegewinnung nutzen.“ Im Moment wird Strom über ein Blockheizkraftwerk erzeugt, Wasser kommt aus einem eigenen Brunnen und das Abwasser geht in die eigene Schilfkläranlage.
Auch auf Gut Büstedt, wenige Kilometer weiter nördlich ist neues Leben und Wirtschaften in die alten Gebäude eingezogen. Der landwirtschaftliche Betrieb hat sich auf Direktvermarktung spezialisiert. Während Tilmann Schwartzkopff regelmäßig mit einem leuchtend gelben Hofladen-Mobil durch Wolfsburg und Umgebung tourt, bedient seine Frau Bianca Kunden im eigenen Hofladen auf dem Gut. Verkauften Schwartzkopff ursprünglich in erster Linie Eier, so gehören mittlerweile Wurst, Käse, Brot, Kuchen, Gemüse, Obst, Marmeladen, Nudeln und vieles mehr zum Sortiment des Hofladens und des Verkaufsmobils. Die Produkte stammen heute nicht mehr aus dem eigenen Betrieb, sondern von Kollegen, also Erzeugern aus der direkten Umgebung. „Ich verkaufe aber nur Sachen, wenn ich selbst von der Qualität überzeugt bin“, beschreibt Tillmann Schwartzkopff seine Kriterien.
Der Landwirt fährt an fünf Tagen in der Woche nach einem engen Zeitplan und einer vorgegebenen Route zu seinen Kunden. „Die Kunden können sich darauf verlassen, dass ich pünktlich mit einer maximalen Abweichung von fünf Minuten zu den bekannten Standorten komme.“ Noch laufe das Geschäft ganz gut, aber Schwartzkopff macht sich Gedanken, wie er seine Stammkundschaft erweitern könne. „Bei jungen Familien ist tagsüber, wenn ich mit meinem rollenden Tante-Emma-Laden komme, niemand zu Hause.“ So berichtet er von dem Service, die Bestellung per WhatsApp aufzugeben. „Ich stelle die Sachen dann vor die Haustür der Kunden.“ Als zusätzlicher Service soll ein Verkaufsautomat an der Straße vor dem Hof aufgestellt werden, damit Kunden unabhängig von Öffnungszeiten einkaufen können. Tillmann Schwartzkopff muss sich aber nicht nur um seinen landwirtschaftlichen Betrieb kümmern, sondern auch um die historische Anlage mit einem repräsentativen, aber im Winter teilweise ungeheiztem Gutshaus und zahlreichen Wirtschaftsgebäuden. „Eigentlich ist hier alles zu groß“, so der Landwirt. „Und vieles ist ungenutzt.“ Aber er fühlt sich verantwortlich, dass nicht alles zusammenfällt, was über Generationen aufgebaut wurde. „Rein ökonomisches Denken ist hier nicht angebracht, damit vergeht man sich an seinem Erbe“, erläutert er sein Engagement für Haus und Hof. So sei er sehr dankbar, dass er für das Dach auf dem Gutshaus, in dem er mit seiner Familie lebt, und für das Dach auf dem ehemaligen Stall Fördermittel über die Leader-Region „Grünes Band“ bekommen habe. In dem Stall konnten dadurch Kühl-, Lager- und Vorbereitungsräume für die Direktvermarktung eingerichtet werden. In einem Teil des Stalles soll ein Fotostudie entstehen.
Und die Pläne gehen weiter: Landwirt Schwartzkopff möchte einen Beitrag zur Ernährungs- und Umweltbildung leisten. Er plant eine Seminarküche mit eigener Getreidemühle. Schüler und alle interessierten Gruppen könnten dann vor Ort erfahren, wie und wo das Getreide wächst, wie es verarbeitet wird und wie man daraus Brot, Brötchen, Kuchen und andere Dinge herstellen kann. „Das Wissen um die Lebensmittelproduktion geht verloren und dagegen möchte ich etwas tun.“ Und vielleicht könnte es auch ein Beitrag sein, dass diese Region wieder mehr mit Leben erfüllt wird. Und vielleicht könnte sogar Mehl von Gut Büstedt in den Kuchen im Café der Fleitmühle landen.